C. FAZIT
Nach all den
Betrachtungen, nach all den Meinungen, die wir zum Rätischen vernommen
haben, scheint die Schlussfolgerung nur eine pessimistische sein zu können.
Etrusker, Kelten, Illyrer, Semiten, Indogermanen, Mediterrane - kein Vergleich
hat der Räterforschung auf die Sprünge helfen können. Tatsächlich
verspüre ich die Neigung, zu behaupten: das Rätische an sich
gibt es nicht, so wie auch die Räter selbst nur ein Produkt der Römer
zu sein scheinen. Auch Stefan Schumacher sieht das ähnlich, wenn
er die Begriffe «Räter» und «rätisch»
immer in Anführungszeichen setzt. Was wirklich existiert, sind Inschriften.
Inschriften in einer Schrift, die «nordetruskisch» genannt
wird; Inschriften, deren Alphabet je nach Fundort beträchtlich variiert.
Es scheint offensichtlich (und nur natürlich), dass wir es mit mehreren
Dialekten zu tun haben, und sie gehören nicht einmal alle zur gleichen
Sprache. Letztlich «rätisch» (im bisherigen Sinn)
sind nur die Inschriften in den Alphabeten von Sanzeno (Bozen) und Magrè.
Doch die Resultate der verschiedenen Forschungsbemühungen verdecken
die Sprache dieser Inschriften mehr, als dass sie sie enthüllt hätten.
Deshalb stellt sich die Frage: Hat es das «Rätische»
im Sinne einer einordnungsfähigen Sprache überhaupt je gegeben?
Lässt sich entscheiden, ob die Sprache der Räter indoeuropäisch
war oder nicht? Allein die Tatsache, dass so viele Forscher ihre so verschiedenartigen
Resultate anhand der Überreste einer einzigen Sprache gefunden haben
sollen, weist darauf hin, dass das Rätische, sofern es denn existiert
hat, eine Mischsprache gewesen sein könnte, deren eigentliche Identität
heute kaum mehr feststellbar ist. Und: War die Sprache der wenigen Schreiber,
die die gefundenen Inschriften verfasst haben, identisch mit der tatsächlich
gesprochenen Sprache Rätiens? Von solchen und ähnlichen Fragen
lassen sich unzählige weitere finden, ohne dass eine Antwort in Sicht
wäre. (165)
An das Ende dieser Arbeit sei ein weiteres, den Stand der Dinge äusserst
treffend erfassendes Zitat von Schumacher gestellt: «Und so scheint
der Schluss aus bald 150 Jahren Forschung der zu sein, dass wir heute
auf eine höhere Ebene des Nichtwissens gekommen sind, indem wir genauer
definieren können, was alles wir nicht wissen und wieso wir es nicht
wissen.» (166)
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